Parlamentarierprojekt

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Parlamentarierprojekt
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Geschichtsprojekt

Zielgruppe: Schülerinnen und Schüler aus Bayern
Ansprechpartner: Dr. Ludwig Unger
Mit dem Parlamentarierprojekt II richten seit Frühsommer 2020 Schülerinnen und Schüler aus Bayern mit ihren Lehrkräften den Blick auf die Entstehung der Bamberger Verfassung von 1919 durch den Landtag, den politischen und gesellschaftlichen Alltag im Freistaat sowie die Abgeordneten vor Ort von 1919 bis 1933. Die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit hat im Frühjahr 2020 dazu eingeladen, z. B. in einer Projektwoche, einem W- oder P-Seminar eine Biographie oder im Unterricht das Alltagsleben vor Ort und/oder die parlamentarische Arbeit ihrer Abgeordneten in München genauer anzuschauen und aufzubereiten: als Seminararbeit, Video, Plakat, Podcast, Text usw. Ziel war eine eingehende Beschäftigung mit Bayerns Verfassungsgeschichte und –wirklichkeit.

Corona-bedingt erfolgten die Auftaktveranstaltung und die beiden ersten Lehrerfortbildungen als Webtalks. Dr. Wolfgang Ehberger von der Historischen Kommission bei der Akademie der Wissenschaften, behandelte „Die Bamberger Verfassung als Grundlage der parlamentarischen Demokratie in Bayern 1919 - 1933“, Horst Gehringer, Direktor des Stadtarchivs Bamberg, informierte über Recherchemöglichkeiten in Archiven und Datenbanken – vor Ort und im Internet. Anschließend wurden die Abgeordneten Georg Meixner (Bamberg, BVP), Alfons Bayer (Regensburg, SPD) und Karl Giermann (SPD, Nürnberg)  biographisch vorgestellt und der Zugang zu Quellen, Literatur und Informationen über diese Abgeordneten skizziert.

Erste Ergebnisse

Erste Ergebnisse legten nun Schülerinnen und Schüler des Mariengymnasiums Regensburg vor. Die Schülerinnen und Schüler eines W-Seminars mit ihren Lehrkräften Katrin Kunert und Dr. Stefan Beck erstellten beispielsweise Flyer zu Ellen Ammann, Lina Ammon, Rosa Aschenbrenner, Anita Augspurg, Elisabeth Kaeser, Luise Kisselbach und Emilie Mauerer, die als Wegebereiterinnen für die Gleichberechtigung der Geschlechter in Politik und Gesellschaft Frauen Stimme gaben.

Die am Projekt beteiligten Schulen setzen in den kommenden Monaten die Spurensuche nach den Abgeordneten aus ihren Regionen fort. Die Ergebnisse werden im kommenden Winter in einer Abschlussveranstaltung vorgestellt.
 

Präsentation der Unterrichtsmodelle

Es ist zudem beabsichtigt, zum Abschluss des Projekts eine Auswahl der fachlichen und pädagogisch-didaktischen Ansätze der Lehrkräfte und ihrer Schülerinnen und Schüler online zu publizieren.

Das Projekt, das auf gut eineinhalb Jahr angelegt ist, bereichert den Unterricht in Geschichte und Sozialkunde mit Blick auf die Weimarer Zeit, zeigt Vorgänge auf und schafft Identifikation mit der Region und dem demokratischen Wirken im Freistaat.

Parlamentarierprojekt I

Zu dem Projekt Parlamentarier II motiviert wurde die Landeszentrale durch das erfolgreiche Projekt zur ersten bayerischen Ständeversammlung 1819. Informationen zum Parlamentarierprojekt I finden Sie hier.

Historische Einordnung

 Lange demokratische Tradition – aber mit dramatischer Unterbrechung

Bayern hat eine lange, über 100-jährige Tradition von Demokratie und Rechtsstaat. Nach dem Ersten Weltkrieg erarbeiteten die Mitglieder des Bayerischen Landtags eine hochmoderne Verfassung mit starken Elementen der repräsentativen und der direkten Demokratie – erstmals hatten Frauen und Männer das aktive und passive Wahlrecht. Es gab eine Parlamentskammer – den Landtag, das Wahlrecht war ein Verhältniswahlrecht und es wurde ein Bayerischer Staatsgerichtshof eingerichtet. Die Verfassung schuf einen guten rechtlichen Rahmen für die parlamentarische Arbeit. Aber angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation und der Zersplitterung des Parteienspektrums mit extremen Rändern war die parlamentarische Arbeit weder 1918/1919 noch 1932/1933 einfach – und auch Mitte der 1920er Jahre war die junge Demokratie nicht ohne Gegner. Das Gegenteil war der Fall.  

Entscheidung zugunsten der parlamentarischen Demokratie 1918

Die Geburtsstunde der Demokratie in Bayern datiert parallel zu der Auseinandersetzung mit Arbeiter-, Soldatenräten und mancherorts Bauernräten – im Januar 1919 wählten die Menschen in Bayern ihr Parlament. Die Todesstunde der bayerischen Demokratie in der Weimarer Zeit näherte sich angesichts des Gegeneinanders extremistischer Kräfte, der Nationalsozialisten rechts außen und der Kommunisten links außen.


Zunächst stimmte das Gros der Bayern für die demokratischen Parteien wie Bayerische Volkspartei, SPD, DDP und Bauernbund – doch Gegner der jungen Republik versuchen von Anfang an mit Gewalt deren Etablierung zu untergraben. Und weite Teile der bayerischen Gesellschaft taten sich mit der Demokratie noch schwer: Der verlorene Weltkrieg und die sich darum rankenden Mythen, Bayern wird Teil und „Kostgänger“ des Deutschen Reichs ohne besondere Vorrechte, die hohen Reparationen an die Siegermächte, die Besetzung des Ruhrgebiets durch die Franzosen und die Inflation belasteten die Republik immer wieder.


Der immer wieder anschwellende Ruf nach einer Rückkehr der Monarchie oder nach einer starken Hand und der Versuch der Machtübernahme durch extreme Kräfte machten eine Stabilisierung der jungen Staatsform schwierig. Unübersehbare Vorgänge mit krisenhaftem Charakter waren z. B.:

  • die Ermordung Kurt Eisners von der USPD auf dem Weg zur Eröffnung des Parlaments, die Verwundung von Karl Auer von der SPD, die Räterepublik und ihre Niederschlagung durch Freikorps noch 1919,
  • die anhaltenden Konflikte zwischen dem föderalistischen Bayern und dem Deutschen Reich – um Kompetenzen und Gelder,
  • der Hitlerputsch 1923, bei dem sich der Bohèmien Adolf Hitler zusammen mit General Ludendorff anschickte, mit dem Marsch auf die Feldherrnhalle die Republik umzustürzen.
Da waren die Regierungschefs wie Kurt Eisner (USPD), Johannes Hoffmann (SPD), der parteilose Gustav Ritter von Kahr, Hugo Graf Lerchenfeld (BVP), der parteilose Eugen von Knilling und Heinrich Held (BVP), die der Demokratie verpflichtet waren. Da gab es Gestalten, die selbst Macht auf sich häufen wollten wie Gustav Ritter von Kahr und Ernst Pöhner. Und da präsentierten sich Regierungschefs nach der Agonie des Rechtsstaats unter dem Hakenkreuz wie Franz Ritter von Epp oder Ludwig Siebert in braunem Gewand.

Bamberger Verfassung – eine moderne Grundordnung mit Vorbildcharakter

 

Grundlage für das parlamentarische Wirken im Freistaat Bayern in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bot die „Bamberger Verfassung“ vom 14. August bzw. 15. September 1919. Sie ist nach dem Tagungsort des Landtags und dem Sitz der Bayerischen Regierung während massiver politischer Unruhen in München 1919 benannt. Denn im April 1919 sahen sich die Regierung von Johannes Hoffmann und der Landtag gezwungen, nach Bamberg auszuweichen. Hoffmann setzte im Handeln auf eine Koalition von SPD, BVP und DDP.
 

Für je 40.000 bayerische Bürgerinnen und Bürger zog vor rund 100 Jahren eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter in den Landtag ein. Darunter befinden sich Personen wie der Ministerpräsident und langjährige Kultusminister Johannes Hoffmann (SPD), gebürtig in Ilbesheim/Pfalz, der langjährige Ministerpräsident Heinrich Held (BVP), geboren in Erbach im Taunus.
 

Dazu gehören Persönlichkeiten, die schon am Tag der Konstituierung des Landtags im Februar 1919 getötet wurden: der erste Regierungschef Kurt Eisner (USPD), geboren in Berlin, und Heinrich Osel (BVP), gebürtig in Hallstadt. Sie bezahlten mit ihrem Leben für Rechtsstaat und Demokratie. Da gab es einen Landtagspräsidenten Georg Stang (BVP), der den NSDAP-Abgeordneten auch noch 1932 das Tragen der Parteiuniform im Plenarsaal untersagte und der bald ebenso wie der BVP-Fraktionsvorsitzende Fritz Schäffer von der SA inhaftiert wurde.
 

Beachtung verdienen die ersten weiblichen Mitglieder des Bayerischen Landtags: z. B. Ellen Amann (BVP), geboren in Stockholm, Aurelie Deffner (SPD), gebürtig in Handzell, und Käthe Günther (DDP), geboren in Gnötzheim/Unterfranken, die einzige Frau im Präsidium des Landtags.

Goldene Zwanziger Jahre auch in Bayern

Doch mit dem Anschluss Coburgs an den Freistaat 1920, mit dem Scheitern des Hitler-Putsches, dem vorläufigen Verbot von NSDAP und KPD, der Rückkehr der Pfalz unter bayerische Verwaltung sowie dem Erstarken der bayerischen Wirtschaft auf der Grundlage der Währungsreform lässt sich auch in Bayern unter dem Ministerpräsidenten Heinrich Held von goldenen Zwanziger Jahren sprechen und als Folge dieser Entwicklung verlieren die extremen Parteien bei den Landtagswahlen 1928 an Unterstützung. Das Verhältnis zwischen Staat sowie katholischer und evangelischer Kirche wird einvernehmlich geregelt.
 

Doch selbst in dieser Phase der Festigung der parlamentarischen Demokratie in Bayern kann die wiedergegründete NSDAP neue Kräfte sammeln: Sie zieht 1924 erstmals in den Landtag ein; Hitler wird vorzeitig aus der Festungshaft entlassen, erhält allerdings nach einer antisemitischen Ansprache 1925 Redeverbot. Die NSDAP gründet eine Schutzstaffel (SS), macht mit einem Parteitag in Nürnberg im Jahr 1927 von sich reden und erzielt kurz nach dem Schwarzen Freitag an der New Yorker Börse bei den Kommunalwahlen in Bayern 1929 in Coburg erstmals die absolute Mehrheit in einem Stadtrat. 1931 tritt Lindaus Oberbürgermeister zur NSDAP über. Parallel dazu geraten die Regierung Held und das Parlament aufgrund mangelnder Kompromissfähigkeit in die Krise. Das Kabinett regiert oft nur mit Notverordnungen, während die Arbeitslosenzahlen nach oben schnellen und der politische Kampf von der NSDAP und der KPD in scharfer Form auf die Straße getragen wird.
 

Auch in dieser Phase der Agonie der Republik von Weimar – z. B. Reichstagswahlen im Juli und im November 1932 – bleibt der Anteil der NSDAP-Wähler in Bayern noch deutlich hinter dem deutschlandweiten Ergebnis zurück, die BVP erweist sich als stabil. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler durch Reichspräsident von Hindenburg, dem die BVP ins Amt geholfen hatte, markiert das nahende Ende eines freien parlamentarischen Handelns auch im Freistaat.

Das Aus für die parlamentarische Arbeit

1933 endeten die erste bayerische Demokratie und die parlamentarische Arbeit in der Münchner Prannerstraße. Am 10. März wurde von den Nationalsozialisten Franz Ritter von Epp als Reichskommissar bestellt und Ministerpräsident Held abgesetzt. Auf der Grundlage des vorläufigen Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich wurde der Landtag aufgelöst. Die letzte Sitzung fand formaliter am 29. April 1933 statt, im Hintergrund des Landtagspräsidiums prangte die Hakenkreuzfahne – Symbol der Herrschaftsübernahme.
 

Faktisch hatten die Nationalsozialisten – gestützt auf „Reichstagsbrandverordnung! und „Ermächtigungsgesetz“ – bereits zuvor im gesamten Deutschen Reich Demokratie und Rechtsstaat zu Grabe getragen. Die totalitäre, menschenverachtende Herrschaft hatte unter dem Hakenkreuz Einzug gehalten.

 

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